Bin ich geliebt?

Bin ich geliebt
wenn das Mondlicht
nachts mich küsst,
– bin ich?

Bin ich geliebt
wenn die Sonne sanft wärmend
mir den Nacken streift,
– bin ich?

Sind wir geliebt
wenn unsere Mütter summend
uns in den Schlaf wiegen,
– sind wir?

Sind wir geliebt
wenn unsere Väter uns sanft fordernd
in die Schule schicken,
– sind wir?

Sind wir geliebt
wenn unsere Schwestern uns das Spiel verweigern
lachen wenn wir traurig sind,
– sind wir?

Sind wir geliebt
wenn Brüder uns zum Schweigen bringen
wenn wir uns ihnen anvertrauten,
sind wir?

Sind wir geliebt
wenn Männer nachts in dunklen Gängen
uns unter die Röcke greifen,
– sind wir?

Sind wir geliebt
wenn wir die Uniformen tragen
im Kampf mit Tränenblut verschmiert
– sind wir?

Bin ich geliebt
wenn eine Hand sich bittend
mir entgegenstreckt
– Bin ich?

Bin ich geliebt
wenn du neben mir
ohne Worte still und frei
mich zu meinem Haus begleitest
das auch deins ist
– ja ich bin!

Neues Land (zur Hochzeit)

Ihr habt heut ein neues Land betreten.
Ein Land voller Wunder,
ein Land, das euch beschenken,
das für euch sorgen und euch glücklich machen kann.
Es trägt ein Geheimnis in sich,
das niemand kennt, als ihr allein.

Manche sagen dem Land “Hafen”,
manche sagen ihm “Heimat”,
andere sagen einfach “Du”,
einige nennen es Seligkeit.

Dieses Land sei hinfort der Ort,
an dem Ihr sein dürft,
ohne Wenn und ohne Aber,
einfach euch selber.
Gesegnet sei es
für alle Zeit:

Sein Boden sei Vertrauen,
seine Berge das Glück,
sein Wasser sei euer gegenseitiger Beistand,
wenn die Kräfte von einem allein nicht genügen.
Sein Wind sei die Freude aneinander
und das nie versiegende Gespräch.
Und seine wärmende Sonne
sei die Begeisterung für Ziele,
gemeinsame Ziele, eigne Ziele
und Ziele des Andern.

Die Pfade des Landes seien Wege der Freiheit.
Nie dränge ein Zwang hier den zögernden Schritt.
Seine Grenzen lauten Verzeihen,
weiten sich stetig,
und machen das Land
zur kostbaren Perle.

Friede liege auf diesem Lande,
und auf allen Reichen seiner Umgebung.

Das Wesen, das dieses Land erschafft, gestaltet,
entwickelt und schön macht,
ist die nie versiegende Liebe.

 

D’ Wiehnachtsgschicht

Was bruuchts ächt alls, für d’ Wiehnachtsgschicht?
Nu für  ä chliini; nu ganz schlicht!

Än Maa,  ä Frau, äs Chind im Stroh,
ich glaub, für d’Wiehnacht langt das scho.

Ou nei, da ghört zum Jesuschind
doch na än Esel und es Rind.
Die gänd schön war, drum sind’s jetzt froh,
Ich glaub, für’s Geschichtli langt das scho!

Doch nei da bruchts  na gueti Hirte,
und Gaschthöf bruchts, mit böse Wirte,
will Bös’ und Guets – das isch eso
isch beides i dä Gschicht vorcho.

Wänn ich jetzt aber wiiterdänke,
was alli Lüüt dem Chind wänd schänke,
dänn merk ich, – potz, die Gschicht wird lang;
und langsam wachst i mir dä Drang:

Will ich d’Wiehnachtsgschicht verzelä,
mues ich s’Wichtigschte drus useschelä.

Was isch dänn z’Bethlehem passiert,
dass es eim hüt na fasziniert?

Es göttlichs Wese chunt uf d’Erdä;
seit, Gotteschind dörfsch du hüt werde!

Wänn Du dich a dim Mitmänsch freusch,
im siini Fehler au verzeisch,
dänn wird Dis eigne Herz erhellt,
und scho isch d’Wiehnachtsgschicht verzellt.

genesen

Ideen gestalten
das Leben erhalten
dem Ziele sich stellen
den Auftrag erfüllen

oder

das Leben geniessen
sich gehn lassen und fliessen
geführt von den Sinnen
erblühn und zerrinnen

Diese zwei Haltungen
Aspekte des Seins
wie beim Papierblatt
zwei Seiten oder keins

So sind wir gestellt
in die Tugend der Welt

Zerfliessend das Leben erhalten
empfindend Ideen gestalten
geniessend den Auftrag erfüllen
gelassen der Pflicht sich stellen

Lässt sich das Eine
im Andern erlösen
wird das Menschenwesen
genesen

 

 

Heilig kam ich in die Welt

Heilig kam ich in die Welt,
Heilig und voll guten Willens,
denn ich war ein Kind.
Gutes sah ich, nur Gutes.
Gutes wollte ich tun, nur Gutes.
Und ich tat das Gute.
Die Welt aber ist Widerstand.
Dadurch ward das was ich tat, nicht so wie ich wollte, sondern blieb unvollkommen.
So blendet die Welt sich und mich, dass nicht mehr zu sehen ist das Gute, sondern nur noch das Unvollkommene.
Ich schämte mich.
Ich sah, dass das was ich tat, nicht gut war.
Ich schämte mich meiner Tat
und ich schämte mich meiner.
Denn es kann nicht gut sein, wer Unvollkommenes tut.
Das Unvollkommene ist nicht gut, es ist böse.
So erkannte ich, dass ich nicht gut bin, sondern böse.
Und ich schämte mich und verbarg mein Inneres - das gut sein wollte, aber unvollkommen wirkte - mit meinem Äusseren - das unvollkommen war, aber gut schien.
Damit kam die Lüge in mich, die gut erscheint, aber böse ist.
Die Lüge begleitete mich fortan.
Und fortan war mein Handeln nicht mehr eines, sondern zweigeteilt.
So lebte ich fort, in der Welt und mit der Welt, die auch zweigeteilt ist.
Ich lebte lange Zeit so fort.
Manchmal begegnete ich meiner Scham.
Und ich fragte mich, wo mein Gutes geblieben sei.
Dann drängte manchmal, ganz zaghaft zwar, ganz selten nur, eine Ahnung meines heiligen Ursprungs herauf.
Die Ahnung meiner selbst.
Und eine Sehnsucht macht sich bemerkbar.
Die Sehnsucht, wieder ganz,
wieder gut,
wieder heilig zu werden.
Die Welt versteht das nicht.
Die Welt verdrängt und übertönt diesen Wunsch.
Der Wunsch aber ist ein starker Wunsch.
Er lässt sich beiseite schieben, aber er lässt sich nicht auslöschen.
Er drängt mich manchmal in der Nacht, ohne dass ich davon weiss.
Manchmal flammt er auf, wenn ich einem Kind in die Augen schaue.
Manchmal wird er angerührt, wenn mir jemand vertraut.
Manchmal beschämt er mich, wenn mir jemand vertraut.
Und dann weiss ich, dass es nicht verloren ist,
dass es erreichbar ist,
ja, dass mein ganzes wahres Streben 
nichts anderes ist, als die Überwindung der Unvollkommenheit durch mein heiliges Inneres.
Das ist wahre Freiheit.
Das ist Liebe. 



 

Gedichte